meine weihnachtsgeschichte
wie jedes jahr, so auch dieses, werden wir sanft von des vaters starken warmen hand in das gemeinsame kinderzimmer geschoben. wir, das sind meine zwei brüder und ich, der jenne. mutter hat, auch jedes jahr im programm, die das ganze jahr über gesammelten humorseiten der bauernzeitung aufgestapelt, zurechtgelegt. uns soll ja die zeit der heimlichen geräusche, des heimlichen dekorierens unserer herzenswünsche versüsst und verkürzt werden. wieviel unserer vor tagen auf den wunschzettel geschriebenen wörter werden nachher anfassbar werden?
heute, es ist das weihnachten des jahres 1975, greifen wir uns die lustigen herausgerissenen seiten voller witz und cartoon. ich bin nun in der dritten klasse, meine beiden brüder sind jeweils zwei und acht jahre älter. sonderbarerweise reicht der stapel immer gerade so, dass nach dem belächeln des letzten witzes des vaters klopfen uns zum hineingehen in die stube animiert.
doch nun ist der zeitungsstapel noch recht gross. also können wir uns noch genug spannung aufbauen. was wird uns da nicht gleich alles erwarten!
auf einmal das vertraute klopfen. herein ihr kinder herein, der weihnachtsmann ist da! nanu, mein blick auf den zeitungsstapel zeigt ungewöhnliches. er ist noch nicht mal bis zur hälfte
abgelesen! sollte es tatsächlich so wenig geben. sicher ist es etwas grosses und dadurch weniger kleinzeugs, der weihnachtsmann hat schnelle arbeit beim zurechtlegen der bald in unseren besitz
übergehenden kleinode. hach! jetzt gehts los.
hinter meinen brüdern betrete ich als letzter die stube. wir verteilen uns am eingang und der blick ins stubeninnere erschliesst sich mir. nanu!
was ist das!? in der mitte steht ein tisch und auf einem weissen laken befinden sich je ein apfel und ein zwieback! drei kleine, klägliche häufchen. und die bunten spielsachen?! wir lächeln, denn
wir kennen die spässe meiners sehr humorvollen vaters. zeit seines lebens brachte er unmengen von menschen mit seinen spässen zum lachen. so kann es nur auch heute sein. halb fröhlich, halb
skeptisch lächelnd fragen wir wie aus einem munde, wo wir suchen sollen. jedoch mein vater fragt, ohne einen anflug von regung, eher neugierig, was wollt ihr suchen? ist es hinter dem
weihnachtsbaum? oder hinter der tür?
hier steht doch euer weihnachten! sagt er und weisst mit ausladender hand auf den gabentisch, der kläglich vor uns aufgebahrt. wir schauen uns nacheinander und ziemlich verdutzt an! waren wir böse? es wird nun etwas still und eine leise betretenheit entsteht im raum. und da taucht das vertraute gesicht unseres vaters wieder an dem menschen uns gegenüber auf. ein warmes, liebendes lächeln huscht über sein gesicht. nun geht nochmal in euer zimmer, sagt er, ich wollte euch nur einmal zeigen, wie man in afrika und in anderen ländern der welt mitunter weihnachten feiert. leise fügt er hinzu, und selbst dafür ist der tisch mitunter noch reichlich gedeckt.
nach einer weiteren halben stunde sind wir wieder in der stube. der weihnachtsbaum leuchtet in bunten farben und drunter! wie jedes jahr, viele bunte pakete, mein gewünschtes auto, renés LKW und für frank der fotoapparat, und weihnachtsteller voller mandeln und pfefferkuchen, orangen und äpfel, und obendrauf liegt ...ein kleiner zwieback....
nachwort.
lieber vater, seit fast achtzehn jahren bist du nun schon in den wolken und lächelst von dort herunter, wenn ich mal wieder stolpere vor tollpatschigkeit, oder wenn rené mal wieder einen witz erzählt oder wenn frank etwas schönes aus holz zaubert. dein lächeln spür ich, wenn ich sehe, wie deine frau, unsere mutter, mit glänzenden augen über dein bild im fotoalbum streicht, immer noch, nach all den jahren. du warst und bist mein bester lehrer.
wenn ihr da draussen die vielen leuchtenden augen seht, den glanz und die freude, dann hebt sie euch auf und sammelt diese glanzesstrahlen voller dankbarkeit. man muss sie bündeln für nicht so gute zeiten oder für die vielen menschen dort ganz weit draussen, denen es heute nur darum geht, wenigstens einmal satt zu werden, gesund zu sein oder einen, wenigstens diesen abend richtigen frieden zu haben, keinen angehörigen durch krieg und hass zu verlieren, keine ungerechtigkeit zu spüren. diese menschen haben so viel weniger als wir. und wir so viel mehr.
wir können so dankbar sein für jeden neuen tag, den wir leben, an dem wir die augen wiederum aufmachen und dort leben, wo wir leben, egal was im schaufenster zu sehen ist. dankbarkeit kostet nichts und ist doch so wertvoll und ein lebensquell für den, der sie erfährt. dafür braucht man nicht einmal einen glauben, nur eine einstellung.
ich wünsche euch allen ein frohes und glückreiches weihnachtsfest im kreise eurer lieben, und vor allem gesundheit.
möget ihr so viel von den zuneigungen dieser feiertage in die vielen darauf folgenden tage hinüber retten, ein wenig von diesen festlichen gedanken und dankbarkeiten hineinträufeln in den täglich
uns sonst umgebenden alltag.
euer jenne, ungetauft.
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